Nachhaltigkeit am DWI

Nachhaltigkeit am DWI

22.12.2021

Mittlerweile begegnet uns der Begriff Nachhaltigkeit nahezu unablässig im Alltag. Ob in Hinblick auf Landwirtschaft und deren Erzeugnisse, Kleidung oder Mobilität – alle Bereiche sollen und müssen letztendlich nachhaltiger werden, um mit den Herausforderungen der sich immer weiter zuspitzenden Klimakrise mitzuhalten und Umweltkatastrophen abzuwenden. Auch in der Forschung wird die Frage nach Nachhaltigkeit immer lauter: Können wir technologische Fortschritte und nachhaltige Zielstellungen intelligent miteinander vereinen? Wie können wir ressourcenschonend Hochleistungsmaterialien für den Alltag entwickeln und wie lässt sich eine effiziente Landwirtschaft mit nachhaltigen Pflanzenschutzmitteln verbinden?

Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigen sich unsere Forscherinnen und Forscher am DWI – Leibniz-Institut für Interaktive Materialien täglich. Um unsere Projekte und Lösungsansätze nach außen zu tragen, stellen wir in unserer neuen Themenreihe „Nachhaltigkeit am DWI“ einige dieser Projekte für eine gemeinsame, nachhaltigere Zukunft vor. In den folgenden Absätzen werden zwei unserer Projekte beschrieben, durch die bereits große Schritte hin zu nachhaltigeren Lösungen für akute ökologische Probleme unserer modernen Gesellschaft ermöglicht wurden.

 

greenRelease-Technologie

Viele Pflanzenschutzmittel haben eine inhärente Schwäche: Die Wirkstoffe haften nicht ausreichend an den zu schützenden Pflanzen, werden durch Regen abgewaschen und versickern in der Erde. Somit geht nicht nur ihre Schutzwirkung verloren, sondern auch Böden und Grundwässer werden stark belastet. Nicht zuletzt ist auch eine erneute aufwendige Auftragung der Schutzmittel erforderlich, um den Schutz und die damit verbundene Ertragsquote aufrecht zu erhalten.

Um zukünftig die zum Schutz der Pflanze eingesetzten Wirkstoffe auf ein Minimum zu reduzieren, wurde die greenRelease-Technologie entwickelt. Hierzu haben die Arbeitsgruppen unter Andrij Pich und Ulrich Schwaneberg ihre Expertisen in einer Technologie vereint und „Mikrogel-Container“ entwickelt, welche über spezielle Ankerpeptide regenfest an die Pflanze gebunden werden. Die weichen und porösen Polymerkolloide verfügen über Bindestellen im Inneren und ermöglichen somit eine kontrollierte Abgabe der Wirkstoffe. Das übergeordnete Ziel des Projektes bestand darin zu zeigen, dass mit einem signifikant reduzierten Wirkstoffgehalt der gleiche Pflanzenschutz wie bei aktuell eingesetzten Produkten erzielt werden kann.

Im Rahmen des abgeschlossenen greenRelease-Projekts, welches durch das Bioeconomy Science Center gefördert wurde, konnten im Labor maßgeschneiderte Ankerpeptide identifiziert und optimiert werden, die es ermöglichen die Mikrogel-Container regenfest an Apfel- und Zuckerrübenblätter zu binden. Durch die Mikrogel-Container konnte eine kontrollierte Freisetzung des Pflanzenschutzmittels über Wochen hinweg gewährt werden.  Im letzten Projektjahr wurde eine ausreichende Menge der greenRelease-Formulierung hergestellt, um die Technologie für den Apfelanbau in Feldversuchen der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfahlen auf Herz und Nieren zu prüfen. Die Versuche haben gezeigt, dass der Einsatz von Kontaktfungiziden durch die greenRelease-Formulierung auf ein Drittel verringert werden konnte. Außerdem wurden Mikroorganismen identifiziert, die in der Lage sind, die verwendeten Mikrogelbausteine potenziell abzubauen, damit möglichst keine Rückstände in der Natur verbleiben. Im Gegensatz zu herkömmlichen und kommerziellen Schutzmittelen, die beispielsweise durch Regen schnell ihre Wirkung verlieren, bietet die greenRelease-Technologie also drei entscheidende Vorteile: eine hohe Regenfestigkeit durch das Anhaften an der Pflanze, eine gute Pflanzenverträglichkeit und vor allem eine einstellbare biologische Abbaubarkeit. 

Neben den technischen Entwicklungsarbeiten wurde auch das Marktpotenzial der greenRelease-Technologie bewertet. Hierzu haben wir die Vorteile unserer Technologie mit Industriepartnern aus unserem Technologietransfer-Beirat sowie mit weiteren Akteuren entlang der Wertschöpfungskette, wie z. B. landwirtschaftlichen Zulieferern, diskutiert und einen Businessplan erstellt. Der Businessplan wurde beim Biogründer-Wettbewerb 2019 der Bio-Security GmbH eingereicht und einer Fachjury vor über 100 Gästen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik präsentiert. Dabei konnten wir uns gegen starke Konkurrenz durchsetzen und den ersten Platz erzielen.

Das vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen geförderte Projekt wurde von Felix Jakob aus der Arbeitsgruppe von Ulrich Schwaneberg geleitet, in der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Forschungsbereichen mit anderen Forschungseinrichtungen und Institutionen zusammenarbeiten. Auf Basis dieser Technologiebausteine konnten weitere DWI-Projekte wie „ProPlanta“, „proSeed“, „InFuProts“, „EcoGuard“ und „hoRtikulturNA“ initiiert werden. In diesen Projekten wird die Technologie genutzt, um den Pflanzenschutzmitteleinsatz zu reduzieren und den Einsatz von mikroplastikhaltigen Formulierungen in der Landwirtschaft zu vermeiden. Im Erfolgsfall können die entwickelten Strategien und Technologien zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft und Bioökonomie beitragen.

 

Biobasierte Weichmacher

Aber auch in anderen Bereichen setzt das DWI auf Nachhaltigkeit: Polyvinylchlorid (PVC) findet sich in einer Vielzahl von Produkten aus den Bereichen Fashion, Sport, Wohnen und Automobilität, beispielsweise in Form von elastischen Bodenbelägen, Kunstleder oder Polstermöbeln. Um deren Flexibilität zu gewährleisten, werden Weichmacher eingesetzt, darunter besonders Phthalate. Diese sind unerlässlich, um aus dem preiswerten, aber spröden Massenkunststoff PVC flexible und dehnbare Materialien mit vielfältigen, produktspezifischen Eigenschaften zu entwickeln.

Phthalate gehören zu den schwerflüchtigen organischen Verbindungen, sind im Weich-PVC nicht chemisch fest gebunden und können so langsam und dauerhaft aus dem Produkt entweichen. Dies hat bei einigen Phthalat-Verbindungen schwerwiegende Auswirkungen auf die Umwelt – so können sie über Umwege ins Abwasser, auf Felder oder ins Grundwasser gelangen und dort erhebliche Schäden an Flora und Fauna oder am Sediment anrichten. Ebenfalls gelten einige Phthalat-Verbindungen für den Menschen als gesundheitsgefährdend und sind deshalb in vielen Produkten sogar verboten. Hinzu kommt noch, dass sie aus petrochemischen Rohstoffen wie Rohöl hergestellt werden, dessen Endlichkeit nicht nur ein zentrales Problem darstellt, sondern dessen Nutzen auch aus umwelttechnischer Sicht umstritten ist.

Nicht zuletzt das negative Image der Phthalate bei den Konsumentinnen und Konsumenten hat die Entwicklung biobasierter und nachhaltig hergestellter Alternativweichmacher vorangetrieben. Bereits existierende biobasierte Weichmacher, wie epoxidierte Fettsäureester oder Kohlenhydrat-basierte Weichmacher, wie bspw. Bernsteinsäure- oder Zitronensäure-Ester besitzen jeweils vorteilhafte Eigenschaften, die sie zur Verwendung in Weich-PVC-Erzeugnissen – meist Nischenanwendungen – befähigen. Allerdings fehlt ihnen die von Phthalaten bekannte „Universalität“ der Anwendungsmöglichkeiten. Furan-Ester wiederum besitzen im Vergleich zu herkömmlichen Phthalaten eine ähnliche Struktur und Polarität und stellen damit eine vielversprechende Alternative dar.

Die Eignung Furan-basierter Weichmacher als universelle oder spezifische Substitute für Phthalate in Weich-PVC-Anwendungen hat das DWI in der Arbeitsgruppe von Martin Möller gemeinsam mit dem Institut für Technische und Makromolekulare Chemie der RWTH Aachen und dem Forschungsinstitut für Leder und Kunststoffbahnen gGmbH (Freiberg) untersucht.

In dem Kooperationsprojekt hat das Team zu nachhaltig produzierbaren Furan- bzw. Tetrahydrofuran-Derivaten geforscht. Zentraler Gegenstand der Untersuchungen waren unterschiedliche Derivate der 2,5-Furandicarbonsäure, die als Biomasse-basierte Alternative zur Phthalsäure betrachtet werden kann. Ziel der Arbeiten war die Entwicklung einer Weichmacher-Bibliothek und der Aufbau einer anwendungsbezogenen Wissensbasis. Insgesamt konnten im Projekt elf verschiedene Furan- und Tetrahydrofuran-basierte Weichmacher hergestellt werden. Die Weichmacher wurden hinsichtlich ihres Einflusses auf thermische und mechanische Eigenschaften von PVC-Weichmacher-Gemischen untersucht. Ausgewählte Weichmacher wurden anschließend auf ihr Leistungs- und Anwendungspotenzial für Weich-PVC beschichtete Textilien getestet. Dabei konnten letztlich zwei Furan-basierte Esterweichmacher identifiziert werden, die ähnliche Eigenschaften wie der Referenzweichmacher DINP (Diisononylphthalat), der zur Gruppe der Phthalate gehört, aufweisen. Die Eigenschaften dieser Esterweichmacher konnte dann bei der Herstellung von Schaumkunstleder und Bannermaterial getestet und abschließend bestätigt werden.

Das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWI) geförderte Projekt hat entsprechende Lösungsansätze für eine nachhaltigere Produktion von Weich-PVC aufgezeigt. Den Forscherinnen und Forschern ist es gelungen, Furan-basierte Weichmacher für die Substitution von Phthalaten in PVC-basierten Textilbeschichtungen herzustellen, die die Produktion von Weich-PVC in Zukunft effizienter, nachhaltiger und ressourcenschonender gestalten können.

Wir freuen uns, euch zukünftig weitere, nachhaltige Projekte in unserer neuen Themenreihe näherzubringen! Zur Umsetzung all dieser Projekte arbeitet das DWI – Leibniz-Institut für Interaktive Materialien Hand in Hand mit weiteren Forschungseinrichtungen und Projektpartnern auf der ganzen Welt zusammen, denn eines ist klar: Herausforderungen eines solchen Ausmaßes kann niemand allein bewältigen, sondern sie erfordern die Expertise einer Vielzahl von Akteuren, deren gemeinsames Ziel eine nachhaltigere Zukunft ist.

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