Raphael Wittkowski ist neuer Physik-Professor am DWI

Neue Heisenberg-Professur in Aachen: Raphael Wittkowski forscht an DWI und RWTH zur Theorie der aktiven weichen Materie
Der Physiker Raphael Wittkowski hat zum 1. April 2025 einen gemeinsamen Ruf der RWTH Aachen Univsersity und des DWI – Leibniz-Institut für Interaktive Materialien (DWI) für die Heisenberg-Professur „Theorie Aktiver Weicher Materialien“ (Theory of Active Soft Matter) angenommen. Damit erweitert der derzeit 36-Jährige das Forschungsspektrum des Aachener Leibniz-Instituts um einen neuen strategisch wichtigen Schwerpunkt.
Wie lassen sich grundlegende Erkenntnisse über die Eigenschaften aktiver weicher Materialien für ihre Anwendungsmöglichkeiten in Medizin, Materialwissenschaften und Maschinenbau nutzen? Dies ist eine der zentralen Fragen, der sich Raphael Wittkowski in Aachen mit seiner Arbeit nun widmen wird. Die Schwerpunkte seiner Forschungsgruppe liegen auf verschiedenen Aspekten der Theorie aktiver weicher Materialien. Dazu gehört unter anderem die Untersuchung von mikroskopisch kleinen Maschinen, die sich wie Miniatur-U-Boote mit eigenem Antrieb bewegen können (schallangetriebene Mikropartikel). Eine Idee dieses innovativen Forschungsfeldes: Die Mikroteilchen in Zukunft als Transporter für medizinische Wirkstoffe nutzen zu können und diese an einem gewünschten Ort im menschlichen Körper freizusetzen.
Neue Erkenntnisse durch Computersimulationen
„Einen Hauptbestandteil unserer Arbeit bilden Computersimulationen. Dadurch ergänzen sich die experimentell arbeitenden Arbeitsgruppen des DWI und unsere Arbeit sehr gut, denn Simulationen sind eine wichtige Ergänzung zu Laborexperimenten. Eine Simulation bildet ein echtes physikalisches System wie zum Beispiel einen Mikroroboter oder ein Material am Computer nach. Dadurch lässt sich beispielsweise ein Material am Computer untersuchen, wie es auch im Labor passieren würde. Computersimulationen und Laborexperimente haben unterschiedliche Vor- und Nachteile“, so Raphael Wittkowski.
Ein Vorteil von Computersimulationen: Mithilfe von Computersimulationen können Wissenschaftler*innen Systeme untersuchen, die sich im Laborexperiment nur mit großem Aufwand oder womöglich gar nicht realisieren lassen. Raphael Wittkowski nennt ein Beispiel: „Vor ein paar Jahren wollte ich herausfinden, inwiefern die Antriebsgeschwindigkeit eines schallangetriebenen Mikropartikels davon abhängt, wie zäh die Flüssigkeit ist, in welcher er sich befindet. Diese Zähflüssigkeit bezeichnen wir als Viskosität. In Simulationen haben wir dazu den Wert der Viskosität der Flüssigkeit mehrmals geändert und geschaut, wie sich die Antriebsgeschwindigkeit des Mikropartikels dadurch verändert. Das war relativ einfach: Wir mussten nur jeweils an einer Stelle im Simulationscode eine andere Zahl eintippen, um den Wert dieses Parameters zu verändern, und die Simulation mit dem veränderten Wert erneut laufen lassen. Im Experiment wäre es dagegen nicht möglich gewesen, die Viskosität der Flüssigkeit zum einen so schnell und dann auch noch allein zu verändern.“ Eine Änderung der Viskosität ließe sich im Labor zwar erreichen, indem man die Flüssigkeit erwärmt, jedoch ändere man damit gleichzeitig die Temperatur im System und somit wiederum andere Parameter wie die Dichte der Flüssigkeit. Es verändert sich also zu viel auf einmal im System, der Einfluss der Viskosität allein lässt sich nicht so einfach betrachten. Eine Alternative sei es, die Flüssigkeit gegen eine andere auszutauschen, welche die gewünschte Viskosität habe. Jedoch seien dann wiederum auch andere Eigenschaften der Flüssigkeit wie die Dichte oder Schallgeschwindigkeit anders.
Dieses Beispiel lässt erahnen, wie Raphael Wittkowski und seine Mitarbeitenden Antworten für komplexe Fragestellungen finden können. Neben Computersimulationen kommen bei ihnen auch Softwareentwicklung, Modellbildung und Methodenentwicklung zum Einsatz.
Strategische Schlüsselexpertise für das DWI
Die Besetzung der W3-Professur mit Raphael Wittkowski ist ein großer Meilenstein für die weitere Ausrichtung des Aachener Leibniz-Instituts: Das DWI hat in seiner Zukunftsstrategie verankert, auch die Potenziale der datengetriebenen Simulation zu nutzen, um Materialien mit spezifischen Eigenschaften und Funktionen entwickeln zu können. Die datengetriebene interaktive Materialsimulation soll als neue Schlüsselexpertise im DWI etabliert werden. Mit der Besetzung durch Raphael Wittkowski lässt sich dieses Ziel erreichen. Sein Zuwachs zum Wissenschaftsteam ergänzt die Vielfalt der am Institut vorhandenen wissenschaftlichen Disziplinen durch Datenwissenschaften, Simulation und Physik. Außerdem verstärkt seine Arbeit nochmals die interdisziplinäre Zusammenarbeit der bereits vorhandenen Kompetenzfelder.
Von Münster nach Aachen
Vor seiner Position in Aachen war der derzeit 36-jährige Raphael Wittkowski als Junior-Professor am Institut für Theoretische Physik der Universität Münster tätig. Dort leitete er zuvor eine Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe zum Thema „Controlling the dynamics of active colloidal liquid crystals by external fields“. Seine bisherige Forschungsarbeit führte zur Entdeckung mehrerer neuer Effekte und Materialeigenschaften von aktiven weichen Materialien, zur Erfindung einer neuen Art von lichtangetriebenen Mikropartikeln sowie zur Entwicklung neuer wissenschaftlicher Software. Raphael Wittkowski ist international anerkannt für seine Beiträge zur Theorie aktiver Materie und zur Statistischen Physik. Er gilt als ein führender Wissenschaftler auf dem Gebiet der Computersimulationen von schallangetriebenen Mikropartikeln.
Die renommierte Heisenberg-Professur der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ist Teil des Heisenberg-Förderprogramms. Mit der Heisenberg-Professur stellt die DFG zeitlich befristete Gelder für eine Professur (W2 oder W3) an einer deutschen Hochschule und flexible Forschungsmittel zur Verfügung. Die Heisenberg-Professur ermöglicht es den Wissenschaftler*innen, sich als Professor*in an einer deutschen Hochschule zu etablieren.
Das DWI ist eine von Bund und Ländern finanzierte Forschungseinrichtung der Leibniz-Gemeinschaft mit Sitz in Aachen. Das Institut wurde am 1. Januar 2014 als erstes Aachener Institut in die Leibniz-Gemeinschaft aufgenommen. Es entwickelte sich aus dem 1952 gegründeten Deutschen Wollforschungsinstitut. Heute ist das DWI ein international sichtbares und interdisziplinär ausgerichtetes Forschungsinstitut im Bereich der Materialwissenschaften mit Kernkompetenzen in der Chemie, Biotechnologie, Physik sowie der Verfahrenstechnik und beschäftigt rund 150 Mitarbeiter*innen.