Mittels Oberflächenmodifizierung Thrombosen verhindern

Mittels Oberflächenmodifizierung Thrombosen verhindern

10.06.2021

Lena Witzdam und Fabian Obstals, Wissenschaftler am DWI – Leibniz Institut für Interaktive Materialien arbeiten daran, nicht-thrombogene Oberflächen zu entwickeln. Der Fokus ihrer Arbeit liegt darauf verschiedene, sogenannte „Polymerbürsten“ mit hämokompatiblen Eigenschaften zu untersuchen und zu entwickeln.

Schlaganfälle, Herzinfarkte und Lungenembolien gehören in Deutschland zu den häufigsten Todesursachen. Was vielen häufig nicht bewusst ist: Ihre Entstehung kann durch die Verwendung medizinischer Produkte im Körper begünstigt werden. Dazu gehören unter anderem auch medizinische Geräte, die an den und teilweise auch im Körper angeschlossen werden – wie zum Beispiel Beatmungsgeräte (extrakorporale Oxygenatoren, ECMO), Herzunterstützungssysteme oder Zentralkatheter. Trotz langjähriger Forschung lassen sich solche Thrombose-Komplikationen bislang nicht vermeiden. Der Grund: Die genannten Medizinprodukte kommen unweigerlich mit unserem Blut in Kontakt, wodurch sich Blutgerinnsel (Thromben) bilden können. Diese können wiederum entlang der Blutbahn wandern und beispielsweise ins Gehirn gelangen, wo sie einen Schlaganfall auslösen können.

In diesem Zusammenhang ist wichtig zu verstehen, was bei Kontakt des Bluts mit der Oberfläche des Medizinprodukts passiert: Im Körper kommt das Blut normalerweise lediglich mit körpereigenen Oberflächen in Kontakt. So zum Beispiel mit dem Endothel. Das Endothel ist die Zellschicht auf der Innenseite der Blutgefäße. In unserem Körper hat das Endothel eine besondere Aufgabe, denn es hält ein empfindliches Gleichgewicht aufrecht. Dieses schwankt einerseits zwischen der Aktivierung der Blutgerinnung bei Schäden der Gefäßwände, um Blutungen zu stoppen und andererseits dem Abbau eben dieser Blutgerinnsel, wenn sie nicht mehr gebraucht werden. Dieser Mechanismus, der für den Abbau des Blutgerinnsels verantwortlich ist, nennt sich Fibrinolyse. Bei Kontakt mit künstlichen Oberflächen, wie beispielsweise jenen von Geräten zur künstlichen Beatmung, greift dieses Wechselspiel nicht: Durch solche Oberflächen, die sich vom Endothel unterscheiden, wird unweigerlich die Blutgerinnung aktiviert. Es entstehen Thromben, die nicht abgebaut werden. Lösen sie sich ab, können sie die beschriebenen schweren Komplikationen auslösen.

Lena Witzdam und Fabian Obstals versuchen in ihrem Forschungsprojekt einen Weg zu finden, die Bildung der Blutgerinnsel an künstlichen Oberflächen zu unterbinden und die Fibrinolyse sogar aktiv durch oberflächenmodifizierte Beschichtungen zu steuern.

 

Das Projekt – Oberflächenmodifizierung zur Vermeidung und Bekämpfung von Blutgerinnseln
Um die Oberflächen von medizinischen Geräten und Produkten, die in Kontakt mit Blut kommen, zu verbessern, haben sich Lena Witzdam und Fabian Obstals von der Natur inspirieren lassen. Die Frage, die sich stellt: Kann die künstliche Beschichtung der Medizinprodukte so gestaltet werden, dass sie die Fähigkeit des Endothels nachahmt? Das heißt, dass die Beschichtung für das Blut nicht direkt als „körperfremd“ erkannt wird, aber, wenn ein Blutgerinnsel entstanden ist, körpereigene Blutbestandteile für dessen Abbau aktiviert werden?

Um diese grundlegende Frage zu klären, haben sie eine ultradünne Beschichtung für biomedizinische Materialien entwickelt. Sie ist aus sogenannten biofunktionalisierten Polymerbürsten aufgebaut und bildet die Kontaktfläche des Medizinprodukts zum Blut. Die Beschichtung kann eigenständig und umkehrbar zwischen einem ruhenden, nicht-thrombogenen Zustand und einem aktiven, fibrinolytischen Zustand wechseln, wenn Thromben vorhanden sind. Die Bürsten sind mit einem speziellen Enzym (gewebespezifischer Plasminogenaktivator, englisch: tissue plasminogen activator, tPA) ausgestattet. Dieses Enzym wird natürlicherweise von den Endothelzellen der Gefäßwand gebildet und kann hier eine lokale Auflösung der Blutgerinnsel (Fibrinolyse) ermöglichen. Diese ist nur dann aktiv, wenn sie benötigt wird.

Dieses interaktive Umschalten zwischen ruhendem und aktivem Zustand wird durch einen Verstärkungsmechanismus erreicht, der die Aktivität von tPA erhöht (positive Rückkopplung) oder wiederherstellt (negative Rückkopplung) – Je nachdem, ob ein Thrombus erkannt und festgehalten wird oder nicht. Somit ist nur eine geringe Oberflächendichte von tPA notwendig, um Thromben aufzulösen. Die Forschungsarbeit von Lena Witzdam und Fabian Obstals ist der erste Bericht über eine Beschichtung, die ihre fibrinolytische Aktivität in Abhängigkeit von den Bedingungen des Blutes selbst regulieren kann.

 

Zukunftsvision – Medizinische Produkte für Patienten sicherer machen
Die Vision des Forscherteams ist es, eine neue Generation von hämokompatiblen – also mit Blut verträglichen – Oberflächenbeschichtungen zu schaffen, um den Einsatz von medizinischen Geräten, die mit Blut in Kontakt kommen, erheblich sicherer zu machen. Ihr Ziel ist es, so das Risiko für thrombotische Komplikationen bei Patienten zu reduzieren.

Ihre Forschungsergebnisse mit dem Thema „Verbesserte Hämokompatibilität: Wie können intelligente Oberflächen das Blut steuern, um Thromben zu bekämpfen“ wurde im ACS Applied Materials & Interfaces Journal veröffentlicht. Hier finden Sie die Originalpublikation.

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Doktorand*in

Lena Witzdam, M.Sc.

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+49 241 80-23367
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Lena Witzdam
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Links: Illustration Polymer brushes
Rechts: Lena Witzdam und Fabian Obstals im Labor