DWI bietet Flüchtlingen Einstiegsmöglichkeiten in die Forschung

03.04.2017

von Felicitas Brüntgens

Ahmed Radwan, Praktikant am DWI – Leibniz-Institut für Interaktive Materialien ist begeistert: Seit Anfang Februar 2017 ist er in den Laboren des Instituts auf dem Aachener Campus Melaten unterwegs und weiß gar nicht, was ihm am besten gefällt: Der Rotationsverdampfer oder doch die Zellen unter dem Mikroskop? „Ich habe zuvor noch nie etwas Lebendiges im Labor gesehen“, staunt Radwan über die Zellen. Bisher kannte er nur die „tote Chemie“. Er ist der zweite Praktikant mit Fluchthintergrund am DWI, nachdem im vergangenen Jahr Bereket Hadish aus Eritrea erfolgreich praktische Erfahrungen sammeln konnte. Radwan stammt aus Somalia, wo er nach seinem Studium bereits als Chemie- und Physiklehrer gearbeitet hat. Nun kann er für sechs Wochen die verschiedenen Bereiche des Instituts kennenlernen und Naturwissenschaft im Laboralltag hautnah erleben. 

Hadish, der vergangenen Sommer für knapp zwei Monate am DWI war, macht mittlerweile eine Ausbildung zum Chemielaboranten am medizinischen Versorgungszentrum in Würzburg. Sowohl die Stadt als auch die Ausbildung gefallen ihm sehr gut. Er hatte sich eigenständig für Ausbildungsstellen in Würzburg beworben, nachdem er während seines Praktikums erfahren hatte, dass sein ebenfalls geflohener Bruder dort lebt. Sein gutes Zeugnis vom DWI war ihm dabei eine große Hilfe. Hadish fände es „sehr gut, wenn es mehr Unternehmen oder Forschungseinrichtungen gäbe, die solche Praktika anbieten“. Es erhöhe die Chance, eine Stelle zu bekommen. Außerdem war es ihm wichtig, herauszufinden, ob eine Ausbildung im chemischen Bereich das Richtige für ihn ist. Zwar hatte er in Eritrea Chemie studiert und zeitweise auch als Chemielehrer gearbeitet, doch so praktisch wie im Labor am DWI war er der Chemie zuvor noch nicht begegnet. 

Flüchtlinge mit abgeschlossener Berufsausbildung können sich ihre Abschlüsse aus der Heimat in Deutschland oftmals nicht anerkennen lassen. Ein Praktikum ist dann ein guter Einstieg. Am DWI entstand daher die Idee, Praktikumsstellen speziell für Menschen mit Fluchthintergrund anzubieten. Initiiert wurde das Projekt von der kaufmännischen Direktorin des Forschungsinstituts, Thanh Nguyen, und von Claudia Formen, die für die Betreuung der Auszubildenden und Praktikanten am DWI zuständig ist. Für die praktische Umsetzung nahm Formen Kontakt zur Arbeitsagentur Aachen-Düren auf, die seitdem erfolgreich Flüchtlinge an das DWI vermittelt und sie im Bewerbungsprozess unterstützt. Vergangenes Jahr wurde über die RWTH Aachen erstmals eine Praktikantenstelle für Flüchtlinge im Bereich Chemie ausgeschrieben. Kurze Zeit später ging über die zuständige Stelle der RWTH die Bewerbung von Bereket Hadish ein. Ahmed Radwan ist nun der zweite Praktikant. Schon im Mai wird es eine weitere Praktikantin geben, die aus Syrien stammt. 

Auch Radwan hofft, im Anschluss an sein Praktikum eine Ausbildung zum Chemielaboranten machen zu können. Am liebsten würde er dafür am DWI oder an der RWTH bleiben. Die Chancen, dass das klappt, stehen nicht schlecht. „Trotz seines theoretischen Studiums kennt Radwan sich sehr gut im Labor aus“, erzählt Claudia Formen. „Er beherrschte sogar schon eine elementare Methode zur Konzentrationsbestimmung, als er das Praktikum begann“. Sein Deutsch ist nach fast zwei Jahren in Deutschland und zwei mehrmonatigen Sprachkursen bereits so gut, dass er im Labor kaum noch Englisch zur Hilfe nehmen muss. Den dritten Sprachkurs möchte Radwan bald beginnen, um das Sprachlevel B1 zu erreichen. Die Grundvoraussetzungen sind also vorhanden. Und, noch wichtiger: Auch die Chemie stimmt.